What would you think of me now?

Das Leben findet um mich herum statt und ich stehe mittendrin. Und dort, wo ich stehe, stehe ich zu Recht. Ich habe eine wunderbare Tochter. Habe es geschafft, eine Leitungsposition in einer sozialen Einrichtung zu übernehmen. Ich fahre einmal im Jahr in den Urlaub, das Auto ist abbezahlt.

Was würde mein früheres Ich zu meinem heutigen sagen? Wahrscheinlich würde es die Stirn runzeln über den Bart und die mittlerweile nicht mehr zerrissenen Hosen. Und das heutige Ich würde dem früheren Ich lächelnd die Hand auf die Schulter legen und beschwichtigend sagen: "Ist doch alles nicht so schlimm. So viel hat sich gar nicht verändert."

So viel hat sich gar nicht verändert - mein Mantra. Ich bin noch immer Vegetarier, stehe noch immer gegen Rassismus und Faschismus auf, wo es nur geht. Ich trage in meiner Freizeit noch immer meine geliebten Bandshirts, spiele noch immer eher schlecht als recht auf der Gitarre und besuche noch immer von Zeit zu Zeit Konzerte. Ich arbeite noch immer in einem sozialen Beruf und engagiere mich noch immer politisch.

Es hat sich so einiges verändert: Ich muss mir nicht mehr andauernd die Haare färben, mit Nietengürteln durch die Gegend rennen. Ich muss nicht immer grundsätzlich dagegen sein. Ich muss nicht mehr Dinge aus Prinzip scheiße finden, nur weil sie allen anderen gefallen. Ich bin nicht mehr nur wütend, nur unter Strom.

»Wo ist sie hin und warum
 war sie irgendwann mal weggewesen?
 Wo ist sie hin und wieso
 war es irgendwann mal gut mit meiner ganzen Wut?«

 (-Wizo, "Meine Wut")

Sie hatte stets den Rebellen in mir geliebt, meine Abgrenzung. Und zeitgleich war es genau das, was zwischen uns stand. Das, was es ihr mit mir an meiner Seite immer wieder schwer machte.
Immer und immer wieder drängt sich mir die Frage auf: Was würde sie heute von mir denken? Würde sie sich noch einmal in mich verlieben, wenn sie mich heute zum ersten Mal kennenlernen würde?
What would you think of me now?

»What would you think of me now?
 So lucky. So strong. So proud.
 I never said "Thank You!" for that.«

 (-Jimmy Eat World, "Hear you me")

An einem Samstag im August (Two For The Road).

"It takes one for the running,
 but two for the road."

(-Bruce Springsteen, "Two for the road")

"Mach mal das Fenster runter," sagst Du mit einem Seitenblick, "es ist viel zu warm." Dankbar tu ich wie mir geheißen; es ist tatsächlich viel zu warm an diesem Samstag im August.
Es ist dieser Wahnsinnsaugust 1999, der Sommer bäumt sich ein letztes Mal auf, als wolle er dem anstehenden Jahrtausendwechsel zeigen, dass es in den ausgehenden Neunziger Jahren nicht nur Regen und Nebel gab. Als gäbe es etwas zu beweisen.

Wir spüren eine leicht unangenehme Leere in der Magengegend, verschieben den Stop bei McDonald's aber. Wir haben keine Zeit, wir müssen Kilometer machen. Es geht uns einfach viel zu gut, um anzuhalten.
Der Wind spielt in Deinem lockigen Haar und ich schaue verlegen nach links. Ich habe Angst, Du würdest meinen verstohlenen Blick bemerken. doch falls dies der Fall sein sollte, lässt Du Dir hinter Deiner großen Sonnenbrille nichts anmerken.

"Kannst Du uns vielleicht noch eine Kassette aufnehmen, bevor wir morgen losfahren?" - das war es, was Du mich am Abend zuvor fragtest. Klar konnte ich das. Ich kann und konnte nie viel, aber Mixtapes zusammenstellen war dennoch immer irgendwie Leidenschaft und Stärke zugleich.

Das Autoradio nimmt mein Tape gierig auf und gibt es anstandslos wieder. Die Fenster sind runtergekurbelt und Dein Haar weht noch immer im Wind. Der Asphalt jagt unter den Rädern Deines gebraucht gekauften Golf II hinweg, wir sind auf dem Weg nach Braunschweig. Nichts besonderes, nichts geplant, sich einfach einen schönen Tag machen und ein wenig Geld über den Äther jagen. Westerland erklingt aus den mittelmäßigen Autoboxen und ich spiele mit Leidenschaft die Drumfill mit meinen Händen auf meinen Oberschenkeln mit, so wie ich es seit jeher immer tat. Du musst lächeln, ich sehe es aus dem Augenwinkel und werde rot. Dein Lächeln wird zu einem eher gutgemeinten als böswilligen Grinsen. Du hast es schon immer gemocht, wenn ich erröte. Ich hingegen nie.
So war das damals, an diesem Samstag im August, auf der Fahrt nach Braunschweig. Das ist nun 19 Jahre her, ich hatte mir damals nicht viel mehr gekauft als eine CD von Daily Terror und ein Notting Hill-Poster. Der erste Film, in dem wir gemeinsam waren.
Es war ein anderes Jahrtausend, eine andere Zeit, in der wir mit anderem Geld bezahlten. Manchmal fühlt es sich an wie ein anderes Leben: Unwirklich, abstrakt, bizarr; etwas, das man von außen durch blinde Scheiben beobachtet. Und dann wieder, zwischendurch und ganz kurz, fühlt es sich wahr an, lebendig und tatsächlich.

Nur die Asche bleibt noch übrig (zuviele Blogs bei twoday.net).

Ich habe Fieber in den Fingern.
Es ist schon komisch, irgendwie. Kaum ist twoday.net dem Ende gewidmet (ja, ich weiß, es geht bei Antville weiter...), reanimiere ich meine Blogs hier. Sechs oder sieben Blogs habe ich hier laufen, alle zu anderen Themen, alle unter anderem Namen. Ich erinnere mich daran, wie ich meinen ersten Blog - bis heute mein Hauptblog! - im Dezember 2005 angelegt hatte, wie ich damals immer in den Toplisten zu finden war - und wie mir all das irgendwann zuviel wurde.

Ich habe Fieber in den Fingern. Ich muss schreiben. Immer. Songtexte, Gedichte, Kurzgeschichten. Blogs. Ich kann nicht ohne. Doch wo neu starten? Vielleicht hier. Einfach mal alle anderen Beiträge offline setzen und sich an dem schönen Hintergrund hier erfreuen.

Ladies & Gentlemen, es tut mir Leid, das mitteilen zu müssen, aber: ich gedenke, wieder zu schreiben...

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